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Aus Liebe zur analogen Fotografie

Der Fotograf als gespaltene Persönlichkeit?
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Der Fotograf als gespaltene Persönlichkeit?

Die zwei Seelen eines Fotografen

Der Entwurf dieses Artikels beschäftigt mich schon ziemlich lange, aber bisher habe ich nie den richtigen Zugang dazu gefunden. Dann habe ich einen Artikel von Eric Kim auf Petapixel.com (In Favor of ‘P’ [Program mode] in Photography) gelesen und es hat Klick gemacht. Ich spreche in diesem Artikel natürlich nur für mich selbst, aber vielleicht geht es Dir ja genauso.

Seitdem ich wieder ernsthaft (aber nicht professionell!) analog fotografiere, haben sich mein Wollen und mein Tun in zwei verschiedene Richtungen entwickelt. Einerseits wollte ich Bilder machen, die es zweifellos mit digitalen Fotos aufnehmen können, deshalb habe ich mich sehr auf technisch perfekte Bilder konzentriert. Ich wollte diese Bilder aber alle manuell machen, weil es mir sonst geschummelt vorkam. Andererseits war ich immer schon von der Streetfotografie fasziniert, habe aber, oh Wunder, beides nicht unter einen Hut bekommen.

Wartende Frau am Fernzugleis im Bahnhof Alexanderplatz
Wartende Frau am Fernzugleis im Bahnhof Alexanderplatz

Street-Fotografie vs. „gute Fotografie“?

Ich habe mir vier oder fünf Kameras geholt, von denen ich sagte: „Ja, das ist es. Damit kann ich jetzt Street fotografieren“. Darunter waren die Nikon F-301, die Exa 1A und die Revue 400 SE. Aber mit allen bin ich nicht so recht zurande gekommen. Das Problem ist, dass Streetfotografie fast ausschließlich vom Moment lebt. Da passt es einfach nicht, wenn ich erst die Belichtung messen muss (EXA), der Fokus nicht gut funktioniert (Revue) oder die Kamera durch das Kettensägengeräusch des Filmtransportes alle Menschen im Umkreis von fünf Metern auf mich aufmerksam macht (Nikon).

Ich wollte aber partout nicht auf die Automatik zurückgreifen, wie z.B. bei der Nikon, weil ich das immer für geheuchelt hielt. Ich wollte die Streetfotografie mit meinen analogen Ansprüchen an ein perfektes Bild umsetzen und ganz ehrlich – das klappt nicht.

Geendet hat es immer in Frustration und damit, dass ich 14 Tage keinen Bock auf Fotografie hatte.

Dem Dilemma entkommen

Der oben genannte Artikel von Eric hat mich dazu angeregt, meine Haltung zu überdenken. Muss ich mir eingestehen, dass ich nicht beides haben kann? Ist es vielleicht gar nicht schlimm, dass ich meine zwei Seelen nicht vereinen kann?

Schließlich mache ich Bilder, weil ich Spaß am Bilder machen habe. Ich will den Moment erleben und ihn festhalten. Doch genau wie Eric bin ich davon über meinen Technik-Fetischismus einfach abgekommen. Die perfekte Komposition, die perfekte Schärfe, das beste Bokeh – nichts davon habe ich erreicht und gerade deswegen hat mich dieser Sog nicht losgelassen. Nur meine Sehnsucht nach dem Moment hat mich davon abgehalten, dem GAS (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen. Wahrscheinlich wäre ich daraus erst viel zu spät wieder aufgewacht.

Canon AE-1 Program

Den ausschlaggebenden Punkt hat mir ironischerweise das GAS beschert: An einem verregneten Wochenende habe ich ausgiebig nach Kameras gesucht und mich so in die Canon AE-1 Program verliebt, dass ich sie dann auch ein paar Tage später erstanden habe. Vorher hatte sich allerdings schon der Gedanke angebahnt, dass ich mit einer Blenden- oder Programmautomatik vielleicht eher zur Streetgotografie finde. Der Vorteil der Canon gegenüber der Nikon war, dass die Canon wirklich ein recht leises und angenehmes Auslösegeräusch hat und so den Moment nicht durch ein „SSSSSSSRRRITSCCH“ verhagelt. Ich kann relativ unauffällig bleiben und schnell fotografieren.

Inspiration finden

Schlussendlich ist es alles auch eine Sache der Motivation und Inspiration. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen (und nicht mal das ginge hier)? Falls es Dir so geht wie mir, Dir aber immer noch der Anstoß fehlt, möchte ich Dir jetzt zwei Möglichkeiten aufzeigen, die nötige Inspiration zu finden.

Zum einen und zu allererst muss ich dieses Video von Eduardo Pavez Goye erwähnen. Nicht nur, dass es in seiner Einfachheit eine unglaublich mitreißende Art hat. Man denkt nämlich unwillkürlich: „Krass, wenn das so einfach ist, mache ich das auch. Jetzt. Sofort. Chef, ich muss gehen!“ Er verwendet in diesem Video auch fast genau die Kamera, die ich zwei Tage vorher dank GAS erworben habe. Da ich nicht an Zufälle glaube, war das mein Weckruf. Schwing den Arsch hoch und mach verdammt noch mal, was Dir Spaß macht! Besuch‘ doch einfach mal Eduardos Youtube-Kanal! (Update: Aufgrund der DSGVO kann ich leider keine fremden Videos mehr zur Verfügung stellen)

Zum anderen bin ich vor Kurzem auf das neue Projekt von Kilian Kunz aufmerksam geworden, mit dem ich schon einmal zusammengearbeitet habe. Damals ging es um die bigger picture-Karten, die an sich schon eine nützliche Sache sind. Jetzt legt Kilian nach und liefert ein Kartenset extra für die Streetfotografie nach. Vielleicht lohnt sich da ja ein Blick drauf. Ich für meinen Teil überlege, ob ich dazu auch einen Testbericht schreiben soll. Wenn Du denkst, dass das nützlich wäre, schreib es gern in die Kommentare, damit ich mich daran orientieren kann!

So, nun aber die Hufe hoch, die Lieblingskamera geschnappt und raus auf die Straße! Du wirst überrascht sein, wie viel Spaß es macht, wenn man sich einfach mal nur auf das Motiv konzentriert!

Written by Marcel - 23. April 2016 - 3511 Views
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